Inklusion ist nur in reichen Ländern erfolgreich? Das Gegenteil ist der Fall. Dieser Vorverurteilung trat Pfarrer Samir Essaid, Schulleiter der Arab Episcopal School (AES) in Irbid/Jordanien, bei seinem Besuch am Frobenius-Gymnasium Hammelburg am 14.06.2024 entschieden entgegen. Die Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassen erlebten einen Schulleiter, der mit Herzblut und Engagement von seiner Arbeit an einer Inklusionsschule für innovative Blindenarbeit berichtete. Bereits zu Beginn seines Vortrags wurde schnell deutlich, dass die AES als Vorreiter der Inklusion nicht nur in Jordanien ist, einem Land, in dem laut Weltbank 16% der Bevölkerung weiterhin unter der Armutsgrenze leben. In einem Video stellte Pfarrer Samir den zehnten Klassen des Frobenius-Gymnasiums blinde beziehungsweise sehbehinderte Absolventinnen und Absolventen der AES aus den Jahren 2018 bis 2024 vor, die von ihrem erfolgreichen Werdegang nach ihrem Abschuss berichteten.
Die Schule selbst befindet sich in christlicher Trägerschaft und finanziert sich in erster Linie durch Spenden. Dennoch habe sie, so Professor Samir, nicht nur mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Vielfach träfen sie auch auf gesellschaftliche Hindernisse, infolge derer blinden und sehbehinderten Kindern der Schulbesuch verwehrt bleibt. Häufig in großen Familienclans organisiert, sind in der jordanischen Gesellschaft Ehen zwischen Cousin und Cousine ersten Grades durchaus noch üblich. Nicht selten resultieren hieraus jedoch genetische Fehlbildungen und Beeinträchtigungen, weshalb man diese Kinder aus Scham vor der Öffentlichkeit verbirgt. Hier setzt die AES an, indem sie blinden und sehbehinderten Kindern den Schulbesuch ermöglicht, um sie ins gesellschaftliche und berufliche Leben zu integrieren. Integration und Inklusion findet an der AES hierbei auf allen Ebenen statt. Blinde und sehbehinderte Schüler sind von der Grundschule bis zum Abitur in Klassen mit sehenden Schülern inkludiert. Es wird im 2-Lehrer-Model unterrichtet. In Kooperation mit einer sehenden Lehrkraft unterstützen Lehrkräfte, die ebenfalls blind sind, Schüler mit Förderbedarf im Bereich Sehen im Unterricht. Neben den genannten Fördermaßnahmen bedeutet Inklusion für Pfarrer Samir aber auch das Überwinden religiöser Spaltung. Ihm ist es gelungen, dass an der AES Mädchen und Jungen, Christen und Muslime gemeinsam unterrichtet werden. Toleranz, so Pfarrer Samir, könne nur aus einem gemeinsamen Zusammenleben erwachsen.